Bau & Technik

Vorwärts, immer weiter in den Berg!

Hier arbeiten sich die Tunnelbohrmaschinen von mehreren Seiten durchs Gestein. Dort wird gebohrt, gesprengt, befestigt und Gestein ausgeräumt. Kilometerlange Förderbänder surren laut. Der Tunnelbau ist ein hochpräzises Uhrwerk im Berg.

Staub, Wirbel, Gedröhn im Halbdunkel. Der Koralmtunnel wird gebaut. Zwei Röhren von etwa zehn Meter Durchmesser wurden in den Berg vorgetrieben. Zweimal 33 Kilometer – durch ein Stück Lavanttaler Alpen. Mit 10.000 PS oder gut 7.000 Kilowatt stemmten die Maschinen sich gegen Felsen und Geröll. Sie gruben und schraubten sich immer tiefer hinein. Fast rund um die Uhr tat sie das, seit dem ersten Tunnelanschlag 2009. Inzwischen ist der finale Durchschlag im Koralmtunnel geschafft. 18 Jahre nach den ersten Probebohrungen sind beide Röhren vollständig gegraben.

Tunnelbohrmaschinen – laute Giganten im Berg

Tunnelvortriebsmaschinen nennen die Tunnelbauer diese wummernden Wunderwerke oder „Mauli 1“ und „Mauli 2“. Das sind die steirischen Spitznamen für sie. Die Kärntner tauften ihren Giganten liebevoll „Kora“. 2.000 Tonnen schwer und rund 200 Meter lang sind solche Tunnelbohrmaschinen, die wie Fabriken unter Tage arbeiten. Als Vorhut des Maschinenzuges rotiert an der Spitze des Bohrkopfes das wuchtige Schneidrad. Es hat einen Durchmesser von ca. zehn Metern und fräst sich viele Meter am Tag durch das anstehende Gestein. Ähnlich wie beim Glasschneiden lösen die 30 bis 40 Zentimeter großen, scharfen Meißel am Schneidrad dabei sogenannte Gesteins-Chips aus dem Berg. Hinter dem Bohrkopf rollt der Nachläufer auf den Schienen nach, mit Mannschaftswagen und Arbeitsbühnen, mit Bohreinheiten, Zementsäcken, Pumpen, Leitungen, Aggregaten.

Ausbruchmaterial wird teilweise verwertet

Die Tunnelbohrmaschine muss mit Strom, Druckluft und Kühlwasser versorgt werden und was sie aus dem Berg löst, Gneis und Glimmerschiefer, Marmor, Quarz und Feldspat, das transportieren sofort Förderbänder und Loren weiter. In den Röhren auf der steirischen Seite waren die Förderbänder 16 und 17 Kilometer lang. Ein Teil dieser Gesteinsmassen ließ sich für den Trassenbau verwerten. Ein Teil, der hochwertigere, für die Auskleidung des Tunnels selbst. Er wurde ober Tage, in einer Kiesaufbereitungsanlage, zerkleinert und gemeinsam mit Wasser und Zement zu Beton verarbeitet. Dieser Beton wurde später im Berginneren in Form von Tübbingen und Betoninnenschalen wieder eingebaut.

160.000 Ringsegmente aus Stahlbeton – die Tübbinge

Eine weitere Leistung, die der Maschinenkoloss neben dem donnernden Vortrieb vollbrachte: Er stützte und kleidete das rohe Steingewölbe aus, sobald er es geschafft hatte. Er bohrte und baute zugleich – mithilfe sogenannter Tübbinge, vorgefertigter gebogener Stahlbetonteile, die, hochgehievt und zusammengefügt, einen schützenden Außenring ergeben. Tausende dieser Ringsegmente wurden mit der Stollenbahn ins Berginnere gebracht. Ein Tübbingsegment alleine wiegt über sieben Tonnen. Der verbleibende Hohlraum zwischen Berg und Tübbingen wurde mit speziellem Perlkies verfüllt. Mit den Ringsegmenten, meist sieben Stück pro Ring, ist der Tunnel gesichert – gegen herunterbrechende Steine und Bergwasser. Für die beiden Koralmröhren wurden am Ende 160.000 Tübbinge verbaut.

Fließt Wasser aus dem Fels?

„Man kann nie von einem Tagesgeschäft sprechen“, meinen die Tunnelbauexperten. Trotz ausgeklügelter Logistik, trotz genauer Probebohrungen und Vorerkundungen ist jedes Vorankommen auch ein Schritt ins Ungewisse: Der Berg hat ein Eigenleben. Kommt Wasser aus dem Fels? Dringt es aus dem Boden? Stockt eine Maschine? Müssen die Meißel getauscht werden? Jede Aufgabe eine Herausforderung für sich. Die Geologen behalten das Gestein, das in dieser Gegend häufig wechselt, permanent im Auge. Einmal trifft man auf lockeres Bergmaterial, dann wieder auf das feste „Koralmkristallin“.

„Kontinuierlicher“ und „zyklischer“ Vortrieb

Die Tunnelbohrmaschine, die den "kontinuierlichen" Vortrieb im Tunnel leisten, tun nicht allein ihr Werk. Bei stark wechselnden Gebirgsformationen und bei vermuteten Störzonen im Berg wählt man eine andere Baumethode. Die Tunnelbauer sprechen dann von „zyklischem“ Vortrieb. Österreich hat sich damit einen Namen gemacht – mit der „Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode“, bei der die Ingenieure und Arbeiter bohren und sprengen, den entstandenen Hohlraum sofort mit Baustahlgitter, Spritzbeton sowie Ankern sichern und letztendlich das gelöste Gestein mit Baggern beseitigen. Und das immer wieder, tausende Male, in Zyklen. Während der Koralmtunnel etwa zu einem Viertel zyklisch aufgefahren wurde, ist das beim kürzeren, 27 Kilometer langen Semmering-Basistunnel etwa zu drei Vierteln der Fall.

Semmering: ein kompliziertes Röhrensystem

Mit seinen beiden Fahrtunneln kreuzt er die dunkle, kristalline Grauwackenzone, die überdies viel Wasser führt. Sie werden in drei großen Abschnitten gebaut und von mehreren Seiten gleichzeitig. Wer einen Eisenbahntunnel baut, muss rundherum viele kleine Tunnel bauen: senkrechte Versorgungs- und Luftschächte; Drainagen, damit das Wasser gesammelt abfließen kann; alle 500 Meter Querschläge, die die beiden Hauptröhren verbinden. Man braucht Fluchtwege und Nothaltestellen, größere Felshöhlen, sogenannte Kavernen, wo Maschinen repariert und gewartet werden. Der Bau mancher Arbeitsschächte oder sogenannter Zwischenangriffe ist eine eigene, große Unternehmung, die viel Zeit erfordert. Die Materiallogistik beim mittleren Abschnitt des Semmering-Basistunnels zum Beispiel erfolgt über einen sogar 400 Meter tiefen Versorgungsschacht im Fröschnitzgraben, mitten in der Semmeringlandschaft.

Koordinative Höchstleistungen

Alle Abläufe müssen präzise aufeinander abgestimmt sein. Die Tunnelbohrmaschine ist der Taktgeber für die Aufbereitung des Tunnelausbruchmaterials, der Tübbingproduktion sowie der Dammschüttungen auf der freien Strecke und beeinflusst somit den Fortschritt des Projekts. 2025 will man den Koralmtunnel, einer der weltweit längsten Eisenbahntunnel, fertig gestellt haben. 2030 wird der letzte Handgriff für den Tunnel durch den Semmering getan. Ende 2030 können Zugreisende dann in 1 Stunde und 50 Minuten von Wien nach Graz brausen und weiter, durch den Koralmtunnel, in 45 Minuten von Graz nach Klagenfurt. Der Güterverkehr kann dann auf der sogenannten Flachbahn mit einer maximalen Steigung von nur acht Promille – im Vergleich dazu hat die bestehende Bergstrecke am Semmering eine maximale Steigung von 25 Promille – leistungsstark gefahren werden.