Freunde der Südstrecke
Wird das Gelände abgesenkt oder erhöht? Wie viele Bäume werden gerodet? Was ist mit der Rosiwalgasse? Am runden Tisch für das Projekt Güterzentrum Wien Süd am Wiener Stadtrand, für das mittlerweile die ersten Gleise verlegt sind, trafen immer wieder 15, 20 Menschen aufeinander: Männer und Frauen aus der Nachbarschaft, Vertreter der Stadt, Bezirksvorsteher von Favoriten und Liesing, Sprecher von Kleingartenvereinen und der Bürgerinitiative „Stopp Mega City Rothneusiedl“, die ÖBB-Planer. Von Mai 2010 bis Februar 2011 setzte sich die Gruppe fast jeden Monat zusammen.
Alle Parteien werden gehört
Man legte Wünsche auf den Tisch, sprach über Befürchtungen, sammelte Ideen. Zweimal begab man sich auf Exkursion zu anderen Frachtenterminals, zum Donauhafen Freudenau und zum Wiener Zentralverschiebebahnhof etwa oder zum ÖBB-Logistik-Center Linz. Ein Güterzentrum mit Hallen, Werkstätten, Bürogebäuden, Zufahrten und Gleisen ist ein Großprojekt, ein Einschnitt in Landschaft und Lebensraum. Die ÖBB-Infrastruktur setzt bei Bauvorhaben dieser Dimension auf den Dialog mit der Bevölkerung. Alle Parteien müssen gehört werden – so verlangen es eisenbahnrechtliche Verfahren ebenso wie das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung. Viele Vorschläge fließen ins Projekt ein.
Forderungskatalog: Zäune, Wälle, Grün
Nach „harten, aber sachlichen“ Diskussionen wurden einige Maßnahmen beschlossen, um den neuen Güterumschlagplatz einzupassen zwischen Petersbach, Liesingbach und Schrebergärten, zwischen dem grünen Favoritner Bezirksteil Rothneusiedl und den sich ausdehnenden Feldern der Wiener Bauern. Es wurden Wälle hochgezogen – gegen Lärm vor allem, gegen Wind, aber auch als Sichtschutz. Hügel und Wiesen sind angelegt, Bäume und Hecken, an der gesamten Ostseite des Güterzentrums zum Beispiel, genauso wie innerhalb der Anlage oder an Zufahrtsstraßen. Ausgesprochen haben sich die Anrainer ebenfalls für niedrigere Beleuchtungsmasten als ursprünglich vorgesehen und sie konnten sich punkto Baustellenausfahrt durchsetzen; diese wird nicht über die Rosiwalgasse geführt. Wie man überhaupt den terminaleigenen Verteilerkreis in den Bauplänen verkleinert und etwas nach Süden gerückt hat. Der Dialog am runden Tisch machte es möglich.
Ein 170-köpfiges Arbeitsforum
Zu ähnlichen Kompromissen kamen Diskussionsrunden in der Planungsphase des Semmering-Basistunnels. Man richtete ein Arbeitsforum ein, das alle drei Monate tagte. Bis zu 170 Menschen nahmen daran teil – Vertreter von Land, Bund und Gemeinden, von Interessengruppen und Bürgerinitiativen, Experten, ÖBB-Delegierte. Was anfangs unüberschaubar schien, wurde allmählich auf einen Nenner gebracht. Man debattierte über Trassen-Varianten und ließ diese von Fachleuten benoten. Als 2008 die Auswahltrasse bekannt gegeben wurde, setzte man sich abermals zusammen: Nun ging es um den Bauprozess, was wie wo erleichtert werden könnte, welche Schutzmaßnahmen gut seien. Und man beschloss, die breite Öffentlichkeit Schritt für Schritt in Kenntnis zu setzen – mittels „Infoboxen“ an den Tunnelportalen, „Infoblicken“ am steirischen Fröschnitzgraben und im niederösterreichischen Göstritz und am „Tag der offenen Baustelle“.