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Traditionen unter Tage

Die Heilige Barbara

Der 4. Dezember ist der oberste Feiertag der Bergleute und Tunnelbauer. An ihm gedenken sie alljährlich bei einem Fest ihrer Schutzpatronin, der heiligen Barbara. Der mythischen Überlieferung nach, wurde diese frühchristliche Märtyrerin von einem sich wundersam öffnenden Felsen vor ihren Verfolgern geschützt. Seit dem 17. Jahrhundert erbitten Bergleute deshalb von ihr Schutz bei ihrer nie gänzlich risikofreien Arbeit. Den in denselben Tiefen arbeitenden Tunnelbauern ist diese Tradition längst genauso hochheilig.

Tunnelpatin Doris Bures

In der Bauphase hat die heilige Barabara eine irische, besser gesagt unterirdische Vertreterin vor Ort: die Tunnelpatin. Ein Ehrenamt, das traditionell Politikerinnen oder Ehefrauen von Politikern ausüben. Formell übernommen beim offiziellen Anschlag des Tunnels. Durch das Auslösen der ersten Sprengung oder die Inbetriebnahme der Tunnelbohrmaschine. Die Arbeiter erhoffen sich davon zusätzlichen Schutz.

Pfarrer Ernst Prank

Den Gedenktag für die heilig gesprochene Barbara von Nikomedien gibt es seit dem 12. Jahrhundert. In der römisch-katholischen Kirche zählt sie zu den 14 heiligen Nothelfern. Wobei die heilige Barbara ob ihrer Standhaftigkeit von vielen Berufsgruppen als Patronin gesehen wird. Darunter auch Architekten, Maurer, Zimmerleute, Türmer, Glockengießer und Elektriker.

Fachbereich Tunnelbau Simon Klausecker

Die Arbeit im Berginnern, auf engstem Raum, abgeschottet von der Außenwelt, hat die Mythen und Bräuche der Bergleute tief geprägt. Dabei hat auch vieles, was der Außenstehende nicht bemerkt, große Bedeutung. So symbolisieren die 29 Knöpfe auf der traditionellen Tracht der Bergleute die Lebensjahre der heiligen Barbara. Die drei obersten bleiben offen, in Anspielung auf die Fenster des Turms, in dem die Märtyrerin eingesperrt war.

Partieführer Mineure Markus Viertler

Durch einen Schrein mit ihrer Skulptur ist die heilige Barbara am Portal der Tunnelbaustelle präsent. Beim Arbeitsantritt wird darauf geachtet, dass die Kerze im Schrein brennt. Wenn das so ist, kann den Kumpeln nichts passieren. Die Zusammengehörigkeit unter Tage ist nicht nur im Berg-, sondern auch im Tunnelbau überaus stark. Jeder weiß, dass er sich auf den anderen verlassen muss – und auch kann!

Tunnelbautechniker Christian Maschek

Auch das „Glück auf!“ der Tunnelbauer wurde vom Bergbau übernommen. Dieser traditionelle Gruß datiert aus dem späten 16. Jahrhundert und kam im sächsischen Erzgebirge auf. Neben dem Wunsch nach dem gesunden Ausfahren aus dem Bergwerk hat er noch eine zweite Bedeutung. Ob Mineur oder Techniker und egal wie jung: Jeder im Team weiß darüber Bescheid.

Tunnelpatin Frau Kramer

Früher war der Bergbau zumeist Männersache. Das führte dazu, dass der Aberglaube auf kam, Frauen im Bergwerk brächten Unglück. Tatsächlich waren aber nicht nur in der Vorzeit ständig Frauen in den Bergbau aktiv eingebunden. Erst ein Gesetz aus dem Jahr 1884 untersagte in Österreich Frauen die Arbeit unter Tage. Und heute? Spielt das keine Rolle mehr. Weder der Aberglaube noch Verbote.

Knospen an St. Barbara, sind zum Christfest Blüten da. So lautet eine alte Bauernregel. Sie meint die am 4. Dezember geschnittenen Barbarazweige. Als vorübergehende Ziere in der Wohnung sollen sie für das nächste Jahr Glück bringen.

Dass es auch einen Barbaraschnaps gibt, verwundert nicht weiter. Schon im traditionellen Steiger-Lied der Bergleute wird davon gesungen: „Die Bergmannsleute sein kreuzbrave Leut, denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht, und saufen Schnaps.”